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Einmal Chef*In per Los, bitte!

Stellen Sie sich vor: In Ihrer Organisation gibt es drei hochqualifizierte Anwärterinnen und Anwärter für eine intern ausgeschriebene Stelle mit Führungsfunktion. Alle drei bringen dieselben Qualifikationen mit, sind im selben Alter, gleich lang in der Firma und bringen alle wichtigen Voraussetzungen mit. Für wen entscheiden Sie sich? Für die Person, mit der Sie auf persönlicher Ebene am besten harmonieren? Gibt es nochmals eine Bewerbungsrunde für alle, nach dem Ausschlussprinzip? Katja Rost, Professorin für Soziologie an der Universität Zürich, meint: «Oftmals hat Erfolg auch mit etwas Glück zu tun» und bringt an dieser Stelle das Konzept des «qualifizierten Losverfahren» ins Spiel.

Ist Zufall fair?

Man erinnere sich an die eigene Kindheit zurück. Speziell unter Geschwistern fand man sich oft in der Situation wieder, in der man gerne entscheiden wollte, was man spielt oder welches Dessert man gemeinsam bestellen durfte. Da man sich nun einfach nicht einigen konnte, fanden die Eltern dann gerne; «Lost das doch unter euch aus».

Das Los als unparteiisches Zufalls-Element sollte also für beide Parteien entscheiden. Der Vorteil an der Wahl per Los: der Zufall hat keine Favoriten! In Situationen, in denen unterschiedliche Wahlausgänge möglich sind und man niemanden in der Entscheidungsfindung benachteiligen möchte, scheint der Zufall ein interessantes Einsatzgebiet zu finden. Es ist anzunehmen, dass kaum jemand etwas dagegen hat, wenn Kinder gewisse Entscheidungen untereinander ausmachen oder eben; auslosen lässt. Die Tatsache, dass der Zufall vorherige Ausgänge nicht berücksichtigt, also dass beispielsweise die letzten drei Mal immer dasselbe Kind den Nachtisch wählen durfte, wird an dieser Stelle vernachlässigt. Wichtig ist also, wie Zufalls-Elemente eingesetzt werden. Was wäre, wenn Ihre zukünftige Vorgesetzte oder ihr zukünftiger Vorgesetzter per Los gewählt werden würde?

Losverfahren bei der Belegung von Führungsfunktionen 

Die Zufallswahl bei Führungspositionen ist nicht etwa ein neuer Trend aus dem Silicon Valley. Bereits im antiken Griechenland, bei der Dogenwahl in Venedig oder auch bei der Vergabe von Professuren im 18. Jahrhundert* an der Universität Basel, der ältesten Universität der Schweiz, kam das Los zum Zug. Der Zufall wurde in den vorgestellten Fällen eingesetzt, um Nepotismus und geheime Absprachen zwischen den Kandidaten* und Wahlgremien einzudämmen.

Wer jetzt denkt, dass sich jede beliebige Person zur Wahl stellen durfte, liegt falsch. Bei der Universität Basel beispielsweise mussten Kandidierende zuerst ihre Tauglichkeit beweisen, bevor sie überhaupt ins Rennen um die Professur eintreten konnten. Erst dann konnten sie in die sogenannte «Wahl zu Dreien» gewählt werden, der Wahl der letzten drei Kandidaten, unter denen dann das Los die Besetzung des neuen Professors entschied. An diesem Punkt fragen Sie sich vielleicht immer noch, was genau Professoren im 18. Jahrhundert mit der Besetzung von Führungspositionen heute zu tun haben.

Im Interview mit Katja Rost, Soziologieprofessorin an der Universität Zürich und Expertin auf diesem Gebiet, erfahren Sie, was es damit auf sich hat.

Chef*In per Los – Im Interview mit Katja Rost

Larissa: Im von dir mitverfassten Paper «Chef per Los?» wird die Idee vorgestellt, dass man Führungspersonen per Los wählen sollte. Wie seid ihr auf diese Idee gekommen? Und welche Vorteile siehst du in diesem Verfahren?

Katja Rost: Die Idee entstand aus einem Beitrag von Margit Osterloh und Bruno Frey; sie schlagen seit geraumer Zeit Losverfahren zur Besetzung von Gremien in Organisationen oder zur Bürgerbeteiligung vor. Für Expertenorganisationen empfand ich die Idee reiner Losverfahren immer als zu undifferenziert: hier wollen wir ja nicht irgendwen, sondern nur für die Position qualifizierte Personen. Irgendwann wurde bei Margit und Bruno in einem ihrer Beiträge am Rande die «Wahl zu Dreien» in Basel erwähnt; das fand ich spannend und viel einleuchtender als ein reines Losverfahren, in welchem die Qualifikation der Teilnehmenden keine Rolle spielt. So entstand die gemeinsame Idee Losverfahren mit Vorselektion, wir nennen diese qualifizierte Losverfahren, genauer zu beleuchten. Die Vorteile qualifizierter Losverfahren sind vielfältig, u.a. weil Personen wissen, dass auch eine Portion Glück bei der Auswahlentscheidung eine Rolle spielt. So wird beispielsweise auch die Hybris von Führungspersonen, also Selbstüberschätzung und anschliessender Machtmissbrauch, verhindert. Zudem bewerben sich deutlich mehr Minderheiten auf Positionen, so Frauen oder Personen aus niedrigeren sozialen Schichten. In Losverfahren rechnen sich diese Personen – zu Recht – höhere Chancen aus.

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«[Bei offenen Positionen, die mittels qualifiziertem Losverfahren besetzt werden] bewerben sich deutlich mehr Minderheiten auf Positionen, so Frauen oder Personen aus niedrigeren sozialen Schichten. Denn in Losverfahren rechnen sich diese Personen – zu Recht – höhere Chancen aus.»

Larissa: Zu Recht, weil davon ausgegangen wird, dass Führungskräfte gern Personen rekrutieren, die ihnen ganz nach dem Motto «gleich und gleich gesellt sich gern» von unterschiedlichen persönlichen Merkmalen her sehr ähnlich sind – trotz bestehender Kontroll-Mechanismen, die den meist unabsichtlichen Similarity Bias bei der Rekrutierung verhindern sollen. Siehst Du im Losverfahren also das Potential, die teilweise noch bestehenden «Old boys networks» auf den Chefetagen auflösen?

Katja Rost: Bis das Verfahren in Chefetagen eingesetzt wird, kann es wohl noch dauern. Obwohl in letzter Zeit in «Winner take it all Märkten» die Einsicht zunimmt, dass Erfolg auch viel mit Glück zu tun hat. Diese Entwicklung könnte Losverfahren begünstigen. Trotzdem wehrt sich gerade die Elite gegen solche Verfahren – Macht kann dann nämlich nicht mehr vererbt werden und führt zur Entmachtung der Elite. Auch sind die Verfahren, wenn sie gut durchgeführt werden, nicht manipulierbar. Aus diesem Grund wurden Losverfahren, die im Mittelalter sehr oft eingesetzt wurden, mit der Aufklärung auch abgeschafft. Der Adel bzw. das damalige Grossbürgertum konnte seine Privilegien in die Neuzeit retten. Statt Titel zählt nun die Ausbildung. Allerdings besteht immer noch keine Chancengleichheit. Personen mit dem falschen sozialen Hintergrund schaffen keinen Aufstieg, auch weil ihnen das soziale Kapital und der Habitus fehlen. Losverfahren würden diesen Kreislauf durchbrechen. Diese sind diese gut für talentierte Personen, schaden aber der Elite. Und diese bestimmt, ob diese Verfahren eingesetzt werden sollen oder eben auch nicht. [LD1]   

Larissa: Am 28.11.2021 wurde die Justiz Initiative vom Stimmvolk abgelehnt und auch im Fall der Professorenwahl an der Universität Basel im 18. Jahrhundert wurde die Wahl per Los wieder abgeschafft. In anderen Bereichen, wie etwa bei der Vergabe von Exzellenzstipendien an Universitäten, bei Finanzierungen des Schweizerischen Nationalfonds oder bei der Vergabe von Wohnungen der Stadt Zürich, ist die Wahl per Zufall hingegen etabliert. Wieso ist die Gesellschaft dazu bereit, in gewissen Bereichen auf Zufallsverfahren zu setzen, in anderen jedoch nicht? Spielen hier noch gewisse Stigmata mit?

Katja Rost: Katja Rost: Das hat viel mit dem eben geschilderten Mechanismus der Machterhaltung zu tun: steht die Macht der Elite auf dem Spiel oder geht es um weniger kriegsentscheidende Aspekte? Wenn wenig auf dem Spiel steht, kann man den Losverfahren heute in der Tat etwas abgewinnen. So werden diese beispielsweise als fair wahrgenommen, wenn rationale Entscheidungskriterien versagen. Wie bei der Auswahl guter – aber nicht exzellenter – Forschungsanträge, von denen nur die Hälfte gefördert werden kann. Bei der Vergabe von Machtpositionen, wie beispielsweise Richter- oder CEO-Ämtern, steht für die Elite hingegen viel auf dem Spiel. Warum sollten sie diese Macht freiwillig an das Los abgeben? Insofern wird es noch ein Stück brauchen, bis auch Machtpositionen eventuell in Zukunft per Los vergeben werden.

«Hervorragende Idee, aber nicht bei uns»

Katja Rosts Ausführen zeigen auf, dass es durchaus in der heutigen Welt Einsatzgebiete für die Zufallswahl gäbe. Es ist jedoch so, dass speziell in Bereichen, in denen eine gewisse «Elite» herrscht, ein geringes Interesse vorhanden zu sein scheint, diese Macht durch die Abgabe von Wahlentscheidungen zu verlieren. Die Justiz Initiative scheiterte kläglich und Organisationen scheinen noch nicht daran interessiert zu sein, CEOs nach einer Vorselektion per Los zu wählen.

In meiner Masterarbeit habe ich mich spezifisch mit dem Wahlverfahren an der Universität Basel im 18. Jahrhundert beschäftigt. Über einen Zeitraum von fast hundert Jahren fand die schon beschriebene Wahl zu Dreien statt. Interessant ist hierbei, dass in der damaligen «Königsdisziplin», der Professur der Theologie, keine Loswahl stattfand und neue Professoren immer noch durch das Wahlgremium direkt gewählt wurden. Das historische Beispiel, wie auch die aktuellen Beispiele zeigen auf, dass Entscheidungsmacht in einigen Bereichen gerne in einem kleinen Kreis gehalten wird. Oder wie Cersei Lannister in der Serie Game of Thrones es so schön resümiert hat; «Power is Power».

Wie sieht es bei Ihnen aus? Können Sie sich vorstellen, die Besetzung von Führungspositionen in Ihrer Organisation nach einer Vorselektion dem Zufall zu überlassen? Oder haben Sie sogar bereits eigene Erfahrungen mit einem Zufallsverfahren gemacht?



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